Und wieder so ein verwirrendes, verstörendes Buch von Emma Cline: Eine hoch problematische Protagonistin, durch die Bank unsympathische Charaktere, die allenfalls noch als tragische Figuren durchgehen, und das ganze vor der idyllischen Kulisse der Hamptons, dieses Küstenstreifens auf Long Island, wo eine Gesellschaft beschrieben wird, die schamlos dem Luxus frönt und jedweden moralischen Kompass verloren zu haben scheint.
Alex ist dort irgendwie gelandet. Gestrandet eigentlich, in der konkreten, als auch in der übertragenen Bedeutung des Wortes. Sie musste weg aus New York. Wieso, erfahren wir nach und nach. Es geht um Geld, um Schulden, um Drogen und um Sex. Wobei diese Begriffe auch für das von ihr verfolgte Geschäftsmodell stehen. Sie arbeitet als eine Art Escort-Dame und dient sich älteren, gut betuchten Männern als vorübergehende oder dauerhafte Begleitung oder Partnerin an. So wie Simon, bei dem sie eigentlich gerne geblieben wäre. Nicht weil er besonders sympathisch oder sogar nett zu ihr wäre. Er bietet Wohlstand und Schutz und ist ansonsten auszuhalten. Auf einer Party verscherzt sie es sich aber mit ihm und er bittet sie nachdrücklich, auszuziehen und zurück in die Stadt zu fahren. Das kommt jedoch für Alex nicht in Betracht und sie begibt sich auf eine Odyssee durch die Hamptons, versucht die Zeit bis zu Simons Labour Day Party zu überbrücken, zu der sie sich im Besitz einer nie explizit ausgesprochenen Einladung wähnt.
Emma Cline schafft es auf Anhieb, uns in den Sog ihrer schrägen Geschichte zu ziehen. Sie spielt virtuos mit ihrer Protagonistin, die mal Opfer, mal Täterin ist. Besonders eindrucksvoll gelingt es ihr, Alex körperliche Befindlichkeit geradezu spürbar werden zu lassen. Wir stecken quasi in ihrer Haut. Ein permanentes Unbehagen, irgendwo juckt es immer, das Deo versagt, das Haar ist fettig. Fatal in einer Welt die ausschließlich auf Äußerlichkeit beruht.
So taugt Alex allenfalls als tragische Heldin, die mir Mitgefühl abringt, will sie doch eigentlich nur irgendwo dazu gehören. So wie wir alle, die wir auch keine Einladung in die Hamptons haben.
Bernhard Sinn