Virginie Despentes ist zurück. Und wie! Mit Liebes Arschloch schließt sie nahtlos da an, wo sie mit der großartigen Vernon Subutex Trilogie aufgehört hat. Schon allein der Titel sagt alles. Es wird geschimpft, geflucht, gehasst. Virginie Despentes lässt die Coronajahre in Paris Revue passieren. Es wird berichtet über Drogen- und Alkoholexzesse, über sexuelle Gewalt und psychische Probleme. Aber es wird auch geliebt und vor allem geredet, beziehungsweise geschrieben.

Der Schriftsteller Oscar Jayack, in seinen Augen ungerechtfertigterweise Opfer eines metoo bedingten shitstorms, lässt seinen Lebensfrust an der berühmten Schauspielerin Rebecca Latté aus, indem er einen sehr abfälligen Post über ihr Alter und Aussehen abschickt. Da hat er aber die Rechnung ohne Rebecca gemacht. Die beiden kennen sich aus Kindheits- und Jugendtagen, haben sich aber nie besonders gemocht. Rebecca antwortet, bzw. keilt zurück. Sie lässt sich nichts gefallen, packt im Gegenteil selbst die Keule aus und wir werden Zeug:innen eines brillianten, geistreichen Schlagabtauschs, der höchst amüsant zu lesen ist und mit der Zeit immer ernsthafter und tiefschürfender wird. Es geht um metoo, um Drogen- und Alkoholabhängigkeit, um Feminismus ( dieser Aspekt wird hauptsächlich durch Einwürfe von Zoe Katana, dem Opfer Jayacks beleuchtet ), um Corona, bzw. Coronapolitik, ums Älterwerden, um Familie - und um Liebe. Die Beiden schenken sich nichts, werden immer ehrlicher im Umgang mit sich selbst und gestehen sich nach und nach selbst Fehler und Lebenslügen ein. Vor allem entdecken sie im Laufe des Romans ihren gegenseitigen Respekt füreinander und entwickeln eine Art freundschaftliche Zuneigung zueinander.

Diese ganze Auseinandersetzung findet ausschließlich über Emails und Social Media Posts statt. Ein moderner, digitaler Briefroman. Da liegt natürlich der Vergleich zum neuen Werk von Juli Zeh und Simon Urban nahe, zumal die Themen ja durchaus ähnlich sind. Aber: kein Vergleich, wo Zwischen Welten seltsam blutleer und schablonenhaft daherkommt, strotzt das Liebe Arschloch vor Leben. Daumen hoch, Despentes at her best, unbedingt lesen!

Bernhard Sinn

Virginie Despentes, Liebes Arschloch, Kiepenheuer & Witsch, 2023,332 Seiten

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