Okay, ich habe mich anfänglich davor gedrückt, über dieses Buch zu schreiben. Vielleicht war es der allgegenwärtige Hype, gerade auf Instagram, vielleicht der Umstand, dass ich das Buch nicht in einem Zug weggelesen habe, sondern mir im Gegenteil relativ viel Zeit dafür gelassen habe, vielleicht war es aber auch einfach das Cover, mit dem ich als eingefleischter Vegetarier so meine Berührungsängste hatte.
Wie dem auch sei, ich habe das Buch letztlich doch mit großer Begeisterung gelesen. Es ist einfach großartig, weil so vollkommen anders als viele herkömmliche Bücher, auch wenn sie sich um ähnliche Themen drehen. Es geht um das Thema Mutterschaft, ganz grob heruntergebrochen. Ungleiche Lastenverteilung innerhalb der Partnerschaft, Identitätskrise als junge Mutter im Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und Selbstaufopferung, das Neu-verorten in der neuen Bezugsgruppe Mütter und einige eng verwandte Themen mehr.
Was aber das Buch so völlig anders anders macht, ist der Umgang der namenlosen jungen Mutter, Künstlerin und Erzählerin mit diesen Themenbereichen. Völlige Hingabe bis zur Selbstaufopferung. Nicht jedoch als Defizit, sondern als Entwicklung, Verwandlung und Selbstermächtigung. Viel mehr möchte ich an dieser Stelle gar nicht verraten, dieses Buch muss man einfach selbst gelesen haben, um sich ein Urteil erlauben und mitreden zu können. Alleine schon, um die großartige Wortschöpfungskraft Rachel Yoders genießen zu können und die feinen Spitzen oder auch derben Breitseiten gegen angepasste Mit-Mütter oder etablierte Rollenmuster zu goutieren. Ein wirklich starkes Buch.
Das Problem mit dem Cover bin ich übrigens umgangen, indem ich die englische Ausgabe gelesen habe, die ist optisch etwas zugänglicher.
Übersetzt von Eva Bonné
Also, unbedingte Leseempfehlung. Und danach den Verdauungsgrappa
Bernhard Sinn