Melara Mvogdobo gelingt es in ihrem Debüt, eine wirklich bedrückende und tragische Familiengeschichte so leicht und humorvoll zu beschreiben, dass ich als Leser ständig zwischen Lachen und Weinen gefangen war. Gefangen und komplett hineingezogen in diese verstörend verrückte Geschichte.

Die Afroschweizerin Céleste beschließt, nicht länger Opfer zu sein und ihr zerstörerisches Potenzial nicht länger gegen sich selbst zu richten, sondern ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und den Verursacher ihres Leids, ihren Vater, endlich zur Rechenschaft zu ziehen. Sie sucht für dieses Vorhaben die Unterstützung ihrer Schwester Sheshe, die wiederum ihre beiden Halbschwestern Lea und Marion mit einbezieht. Alle vier waren dem gleichen Schicksal ausgeliefert: sie alle wurden als junge Mädchen von ihrem Vater missbraucht und misshandelt. Nach einigem hin und her in Sachen Planung und etlichen Querelen untereinander fliegen die vier Schwestern nach Kamerun zu einer weiteren Halbschwester Séraphine, der das gleiche Schicksal zu Teil wurde, die ihren Vater aber letztlich aus familiärem Pflichtgefühl bei sich aufgenommen hat und jetzt weiterhin unter ihm leidet.

Die Geschichte wird erzählt aus der jeweiligen Perspektive der einzelnen Frauen. Die Fünf könnten unterschiedlicher kaum sein und doch gibt es Gemeinsamkeiten. Melara Mvogdobo bringt uns jede Einzelne nahe und lässt uns sowohl an ihrer tragischen Geschichte, als auch an ihrer Selbstermächtigung und Befreiung teilhaben. Aufgehängt am Thema Missbrauch und Gewalt, hat sie ein ungemein unterhaltsames und variantenreiches Buch über das Verhältnis der Geschlechter geschrieben. Bei aller Drastik und trotz der makabren Idee unbedingt lesenswert, gerade auch für Männer.

Ergänzt wird das Buch durch ein sehr erhellendes und bedenkenswertes Nachwort und die Ausstattung ist ja wohl wirklich der Hammer.

Vielen Dank @melaramvogdobo für das großzügige Zusenden eines Rezensionsexemplars.

Bernhard Sinn

Melara Mvogdobo, Von den fünf Schwestern... edition 8, 2023, 208 Seiten

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