Juli Zeh hat geliefert. Vielleicht nicht ihr bestes Buch, aber unterhaltsam zu lesen ist es allemal.
Wieder spielt es in der ostdeutschen Provinz. Bracken, so der treffend erfunden Name, ist nicht viel mehr als eine Durchgangsstraße mit alten Häusern und Kirche, ist: keine Schule, kein Kindergarten, kein Supermarkt. Eine Bushaltestelle, an der dreimal am Tag ein Bus ohne Fahrgäste hält. Hier bist du ohne Auto aufgeschmissen. Das merkt auch Dora schnell, die in einer Kurzschlusshandlung ein altes Haus (sanierungsbedürftig!) gekauft hat.
Nur weg aus Berlin. Weg von den ganzen Coronaauswirkungen und dem Lockdown. Weg vor allem von ihrem öko-fundamentalistischen Lebensgefährten. Rigoros und humorlos war er geworden, nicht auszuhalten für eine Zweiflerin, die an den Dingen der Welt viele Seiten sehen kann und der die absolute Einteilung in Gut vs. Böse nicht gegeben ist.
Jetzt sitzt sie im Frühjahr 2020 bei strahlendem Sonnenschein im staubigen Brandenburg und versucht sich am Landleben. Dem verwilderten Garten mit Spaten und Sense ein Beet abzutrotzen, hat mit romantischem Landleben so viel zu tun wie die neue Nachbarschaft mit Gote, der sich selbst zutreffend vorstellt: „ Ich bin hier der Dorfnazi“. Mit dem ÖPNV zum Einkaufen in die nächste Kleinstadt? Siehe oben. Doch Dora hält durch, in jeder Hinsicht. Und die Dinge entwickeln sich ganz anders, als Dora und auch die Leser:in sich das so vorstellen.
Dieser Roman lässt sich gut lesen. Ich finde die Protagonistin in ihren Zweifeln, dem zögernden Sich-Einlassen auf ganz neue, unerwartete Verhältnisse überzeugend geschildert. Der Darstellung des Neonazis kann man kritisch gegenüber stehen und viele Leser:innen tun das auch. Jede:r ist eingeladen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Für alle, die sich intensiver mit diesem Thema befassen möchten, empfehle ich „Mit der Faust in die Welt schlagen“ von Lukas Rietzschel.
Bärbel Hanauske