Zwei Frauen in Israel, verletzt von demselben Mann.

Rachel, schon beinahe eine Greisin, war in erster Ehe mit ihm verheiratet, ihrem Gefährten aus dem Untergrundkampf gegen die Briten. Es war eine große Liebe, doch schon nach einem Jahr hat er sie verlassen und die Ehe wurde schnell geschieden.

Antara, seine Tochter aus zweiter Ehe. Anfang Fünfzig ist sie jetzt und nach dem Tod ihres Vaters hat sie die erste Frau ihres Vaters ausfindig gemacht, um endlich Antworten zu bekommen. Warum war ihr Vater so lieblos, immer wieder auch gewalttätig gegen sie? Warum war der berühmte und geschätzte Professor Rubin so feindselig gegenüber seiner älteren Tochter?

Die beiden treffen sich, die Verständigung ist schwierig. Für beide ist es ein sehr emotionales Thema. Doch die eine will unbedingt etwas erfahren – endlich! Und die andere will etwas erzählen, will ihre Geschichte teilen, die sie vor ihren eigenen Kindern immer verheimlicht hat – endlich!

So erfahren auch wir vom Untergrundkampf der Juden gegen die britische Besatzungsmacht. Wie die Erfahrungen, die Rachel beihnahe noch als Jugendliche gemacht hat, ihr ganzes Leben geprägt haben und sie niemals den Tod der Kameraden und das wortlose Verlassenwerden von ihrem Mann verwunden hat. Wir lernen Antara kennen, die ebenfalls in zweiter Ehe lebt, leider schon länger nicht mehr so glücklich, wie damals erträumt, als sie ihren ersten Mann für den zweiten verlassen hat. Auch sie geformt von ihrer Vergangenheit, dem Aufwachsen in einer Familie, in der weder Mutter noch Schwester zu ihr gehalten haben. Dann geschieht ein Unglück und Antara muss sich einer ganz neuen Herausforderung stellen.

Durch die Begegnung der beiden Frauen und ihren vorsichtigen Austausch verändert sich der Blick auf den Mann, an den beide so schmerzliche Erinnerungen haben und der doch immer heimlich im Zentrum ihrer Leben gestanden hat.

Ein berührender Roman, aus Sicht der zwei ganz unterschiedlichen Frauen erzählt, der uns Israel damals und heute nahe bringt.

Bärbel Hanauske

Zeruya Shalev, Schicksal, Berlin Verlag 2021, 416 Seiten

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