Es brennt. In Franziska Gänslers Debut Ewig Sommer brennt der Wald. Nicht zum ersten und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal, dient doch der Klimawandel hier als Kulisse für einen sehr gelungenen, feinsinnigen Beziehungsroman.
Iris führt das letzte verbliebene Hotel im ehemals wohlhabenden Kurort Bad Heim. Dort geblieben, als Eine der letzten, verwaltet sie die trostlosen Relikte im Familienhotel und rechnet im Grunde nicht mit Gästen. Bis eines Abends die mysteriöse Dori mit ihrer kleinen Tochter Ilya vor der Tür steht, auf der Suche nach einem Platz zum Übernachten - eher nach einem Unterschlupf, wie sich im Laufe des Romans herausstellt. Auch wenn Dori nur mit leichtem Gepäck anreist, so trägt sie doch einen großen Koffer voller Geheimnisse mit sich: verlässt mitten in der Nacht das Haus und lässt ihre Tochter unbeaufsichtigt zurück, leiht sich ungefragt Iris Auto...und dann ist da noch der aufdringliche Anrufer, der sich bei Iris nach seiner verschwundenen Frau und seiner Tochter erkundigt.
Iris, die ihrerseits ein bewegendes Familienschicksal zu verkraften hat, fühlt sich hingezogen zu der anfänglich unnahbaren, dann aber immer zugewandteren Dori. Sieht sich selbst und ihre eigene Geschichte gespiegelt in dem Geflecht aus Abhängigkeit und Manipulation, das scheinbar zwischen Dori und ihrem Mann besteht. Und dann ist da ja noch die obskure Nachbarin Baby, die die Geschichte noch mal so richtig voran treibt...
Vor dem Hintergrund einer zunehmend bedrohlichen und dramatischen Naturkulisse, entwirft Franziska Gänsler eine zarte Geschichte über Freundschaft und Anziehung. Das gelingt ihr sehr subtil und feinfühlig, auch wenn die Geschichte einen spürbaren Sog entwickelt und von einer untergründigen Spannung getragen ist, so dass ich das Buch praktisch in einer Sitzung geradezu verschlungen habe.
Bernhard Sinn
Franziska Gänsler, Ewig Sommer, Kein und Aber, 2022, 208 Seiten