Nein, kein Kochbuch. Vielleicht eine Milieustudie oder ein Experiment. Wenn schon kein soziologisches, dann zumindest ein literarisches:
Eine Frau lädt zum Essen ein: ihren Freund, ein befreundetes Pärchen und einen Bekannten aus der Schweiz mit Partnerin, der aber alleine kommt. Und damit beginnt der Reigen an Unwägbarkeiten, Missverständnissen, Missgeschicken und Beinahe-Katastrophen, der im Normalfall den Reiz einer solchen Essenseinladung erst ausmacht. Nicht jedoch im beschriebenen Milieu der arrivierten, gut situierten Bohos, der selbsternannten intellektuellen und kulturellen Elite. Da will alles bis ins letzte durchgeplant und mit den landläufigen Bildern in den Medien und den Vorstellungen im eigenen Kopf in Deckungsgleichheit gebracht werden. Dumm nur, wenn einem das Talent für solche Aufgaben und Situationen fehlt und es eventuell generell an Lebenspraxis mangelt. Kochen ist ja auch seit einiger Zeit seinem Alltagsbezug enthoben und zur bloßen Lifestyle-Inszenierung verkommen.
Teresa Präauer lässt ihre Protagonistin, die Gastgeberin, diesen Abend im Kopf mehrmals durchspielen. Immer wieder mit leicht veränderten Variablen, immer arbeitet sie sich am Idealbild eines gelungenen Abends ab. Mal kommt der Eine, mal die Andere zu spät, mal gelingt das Essen, mal verbrennt die Quiche im Ofen oder die Gäste haben eh keinen Hunger. Immer aber ist eine Menge Alkohol (Crémant !) im Spiel, hilft Nervosität zu lindern, die Stimmung aufzuhellen und funktioniert hervorragend als soziales Schmiermittel.
Als dann auch noch der Worst Case eines durchgeplanten Abends in Form ungebetener Gäste eintritt, droht der Abend in einer Katastrophe zu enden. Oder doch nicht? Mit dem Eintritt des Ungeplanten hält plötzlich auch die Erotik Einzug und auf diesem Gebiet sind doch alle auch ohne große Planung Fachmenschen.
Vielleicht doch ein gelungener Abend? Auf jeden Fall ein sehr gelungenes, höchst vergnügliches Buch!.
Bernhard Sinn
Teresa Präauer, Kochen im falschen Jahrhundert, Wallstein Verlag, 2023 , 198 Seiten