Heute stelle ich ein amüsantes, ruhiges Buch vor, in dem wir Menschen kennenlernen, denen wir auf der Straße oder beim Einkaufen begegnen mögen, sie nicht wahrnehmen, weil sie unauffällig sind und nicht die üblichen Partys und Events besuchen, und weil sie ihr eigenes Leben in einem sehr begrenzten Umfeld stricken.

Mittelmäßigkeit ist langweilig und interessiert dich nicht? Nun, das Leben von Elisabeth mit Peter, ihrem langjährigen Ehemann ist so kleinkariert und spießig, dass sich wohl niemand mit ihnen identifizieren mag. Doch so aufschlussreich! Manchmal ist es eben ganz gut, in den Spiegel zu schauen. Man muss nicht spießig sein, um sich wiederzuerkennen.

Eine eintönige Siedlung, ein Café, das eigentlich eine Kneipe ist, sowie ein Hügel und ein Fluss vor der Stadt als Ausflugsziel, bilden den Schauplatz für Anna Weidenholzers Roman.

Elisabeth und Peter wohnen in einer kleinen Wohnung, von der aus sie Karla und Heinz mit ihrem Chinchilla, das in der Wohnwand untergebracht ist, stets im Blick haben. Dann sind da noch Richter, die ihre Wäsche im Hof aufhängt und Fleck, der unter ihnen wohnt und nur noch im Unterhemd vor dem Fernseher sitzt und öfters in den Fahrstuhl pinkelt.

Liebevoll erinnert sich Elisabeth an durchaus glückliche Zeiten mit Peter. Doch mittlerweile sind die Dialoge und Marotten ihres Ehemannes so vorhersehbar wie das Wetter, über das Peter in der Lokalzeitung schreibt. Die regelmäßigen Treffen mit Karla und Heinz im Café Maria sind eine willkommene Abwechslung. Man tauscht sich über die Nachbarn aus und philosophiert bisweilen über das Leben. Die „Professorin“, Stammgästin im Café, mischt sich nur selten ein, dann aber wortgewaltig und bedeutungsschwanger. Magda, Elisabeths Schwägerin, malt Eulen und sucht immer häufiger die Gesellschaft ihrer Schwägerin und ihres Bruders, die immerhin Freunde haben, mit denen sie sich treffen.

Nachdem Heinz und Peter stolz neue Jobs, gute Anstellungen, wie sie es nennen, vorweisen können, nimmt Elisabeth eine leise, schleichende Veränderung in den alltäglichen Gesprächen wahr.....

Was dieses Zuhause ist: Es ist ein Raum voller Sätze, die nicht gefallen sind....“

Mit einer präzisen Beobachtungsgabe verfasst die Autorin eine Milieustudie, die fast schmerzhaft authentisch daherkommt. Sie nutzt dafür eine behutsame Sprache und kraftvolle Bilder. Der Blick auf ihre Romanfiguren ist liebevoll. Ohne Häme und Fingerzeig entlarvt sie unser aller Ignoranz.

Kein Buch für Leser:innen großer Geschichten, eins zum Nachdenken, und vor allem zum Amüsieren und Schmunzeln (an dieser Stelle ein Danke an die Autorin für das Chinchilla, die Professorin und die zweierlei Weine im Café Maria, den Guten und den Schlechten). 🙂

Heike Ruhe

Anna Weidenholzer, Finde einem Schwan ein Boot, Matthes und Seitz Berlin 2019, 212 S.

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