Puh, das ist nicht wenig, was Annette Pehnt uns hier abverlangt. Sowohl was die äußere Form anbelangt aber vor allem was inhaltlich geboten wird.
Sie selbst bezeichnet ihr Buch als Versroman. Wir haben es also hier mit keiner durchlaufenden, chronologisch wiedergegebenen Handlung zu tun, sondern mit einzelnen Schlaglichtern, Szenen oder Gedanken der Erzählerin. Auf der inhaltlichen Ebene, thematisiert der Roman eine Trennung, einen kraftvollen Akt der Befreiung und Selbstermächtigung durch Schreiben.
Ein Mann kauft seiner unzufriedenen und womöglich trennungswilligen Frau ein Appartement hoch über den Dächern der Stadt. Dort kann sie ihren Interessen nachgehen und sich nach Jahren des Familienlebens (Haushalt, Kinder) endlich selbst verwirklichen und schreiben. Der Haken an der Sache: sie kann die Wohnung nicht aus freien Stücken verlassen, er hingegen jederzeit unangemeldet zu Besuch kommen. Eine Schelmin, wer hier eine mögliche Analogie zu seinem bisherigen Verhalten in der Ehe vermutet und ein Schelm, wer in diesem Bild einen Verweis auf ein berühmtes Märchen sieht, in dem es einer Frau mit langem Haar letztlich gelingt, ihre erzwungene Isolation zu überwinden.
Tatsächlich beginnt die Frau zu schreiben und wir können in sieben Geschichten über die "schmutzige Frau" erleben, wie diese, und die Verfasserin, also die "schreibende Frau" sich an Themen wie Befreiung, Emanzipation, Erziehung, Geschlechterrollen etc abarbeiten. Das ganze wird ergänzt durch sehr dichte und intensive Reflexionen der Erzählerin über ihr Leben und ihre Beziehung, in denen die Rolle des Ehemanns als höchst manipulativ, kontrollierend und psychisch gewalttätig dargestellt wird. Gegen Ende des Romans verschwimmt die Trennung zwischen diesen beiden erzählenden Personen zunehmend. Das Schreiben wird zum Handeln, zum Akt der Emanzipation und Befreiung.
Ein sehr dichter Roman, der inhaltlich und in seiner Form zur Auseinandersetzung einlädt und mich sehr bewegt hat. Gerade auch in seiner subtilen Art der Darstellung toxischer Männlichkeit hat mich das Buch sehr gerüttelt. Aber dazu ist gute Literatur ja da...
Unbedingt lesen !
Bernhard Sinn
Annette Pehnt, Die schmutzige Frau, Piper Verlag, 2023 ,176 Seiten