Lio ist ungewollt schwanger. Ausgerechnet sie, die sich ihrer Beziehung zu Max nie richtig sicher ist, ein sehr gespaltenes Verhältnis zu ihrem Körper hat und selbst Familie als größtmögliches Unheil erfahren hat...
Ich muss gestehen, dass es etwas gedauert hat, bis Liebewesen und ich zueinander gefunden haben. Zu gewollt, zu bemüht lustig, zu umgangssprachlich. Bin ich wohl nicht die Zielgruppe, als eher alter Mann. Muss ja auch nicht, gut geschrieben ist es trotzdem. Ich habe dennoch weitergelesen. Bei dem Cover? Da muss ja irgendwann noch etwas passieren. Außerdem bin ich bekennender Sally Rooney Fan, obwohl die ja auch nicht unbedingt für meine Altersgruppe schreibt...
Ja, dann wurde es auf einmal ziemlich lustig und es hat tatsächlich klick gemacht. Wie Caroline Schmitt die langsame Annäherung und den Sex zwischen Lio und Max beschreibt finde ich einfach großartig. Sehr mutig, hier mal ehrlich und trotzdem mit einem Augenzwinkern über Sexualität und Körperlichkeit als Problem in einer Partnerschaft zu lesen. Das hebt sich wohltuend von den ganzen Überhöhungen ab, denen ich sonst mitunter in der Literatur begegne. Ähnlich verhält es sich mit den weiteren Problemfeldern, die Caroline Schmitt in Liebewesen auslotet: Schwangerschaftsabbruch, Autoaggression, innerfamiliäre Gewalt, Alkoholismus, bipolare Störung… Ganz schön viel, könnte man denken. Durch ihre explizite Sprache und ihren bisweilen etwas schrägen Humor, gelingt Caroline Schmitt eine feine Gratwanderung zwischen Drama und comic relief. Nie hatte ich, bei aller Flapsigkeit, das Gefühl, dass sie diesen Themen und deren Tragweite nicht gerecht wird. Im Gegenteil, ich finde ihren Ansatz sehr erfrischend und für mich war das Buch durchaus erhellend. Gleichzeitig sorgt der wilde und schräge Erzählstil dafür, dass Leser:in am Ball bleibt und auch der nächsten erzählerischen Wendung gerne folgt. Voll auf die Zwölf irgendwie!
Eine unbedingte Leseempfehlung. Und dieses Cover, mal ehrlich...
Bernhard Sinn