Im Zuge meiner Recherche für den Krimiabend letztens, bin ich auch auf den ein oder anderen, vor längerer Zeit gelesenen, Klassiker gestoßen. Die Nigeria Krimis habe ich ja schon erwähnt, jetzt kommt als Nachtrag noch ein moderner Klassiker aus den USA.

Eine Serie von Frauenmorden im Prostituiertenmilieu hält Philadelphia in Atem. Die Streifenpolizistin Mickey ermittelt aus beruflichen und privaten Motiven. Vor einigen Jahren kam es zwischen ihr und ihrer Schwester Kacey zum Crash. Mickey verfolgt ihre Karriere als Polizistin und versucht sich aus der engen familiären Umklammerung zu lösen, Kacey driftet ins Drogenmilieu ab. Mickey versucht, aus der Distanz ein Auge auf sie zu haben, ist bei jedem Einsatz zu dem sie gerufen wird, froh, wenn sich das weibliche Opfer nicht als ihre Schwester herausstellt. Jetzt ist diese aber verschwunden und Mickeys Angst wächst. Gleichzeitig scheint ihr der Mörder näher zu kommen und so auch ihr Leben in Gefahr zu geraten.

Liz Moore gelingt es mühelos, eine beklemmende und bedrückende Szenerie, vor dem Hintergrund des fortschreitendem städtischen Verfalls zu erschaffen. Sowohl was das Leben in den sozialen Brennpunkten Philadelphias anbelangt, als auch was die zwischenmenschliche oder familiäre Atmosphäre in Mickeys Leben betrifft. Sie wird wegen ihrer Berufswahl von ihrer Familie ausgegrenzt und innerhalb der Polizei hat sie auf Grund ihrer Herkunft und ihres Geschlechts auch keinen leichten Stand. Eine Frau zwischen allen Stühlen.

Ein toller, spannender Kriminalroman und ein düsteres Sittenbild des modernen Amerikas. Lohnenswert!

Bernhard Sinn

Liz Moore, Long Bright River, Heyne Verlag 2021, 416 Seiten

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