Hier dreht es sich auch um das Thema Mutterschaft, wenn auch völlig anders aufbereitet: Zwei Mütter kämpfen in Lagos während des Corona-Lockdowns mit allen erdenklichen lauteren und unlauteren Mitteln um ein Baby. Mittendrin oder vielmehr zwischen den Fronten, ein Mann, der Erzähler. Bambi ist von seiner Freundin rausgeschmissen worden, es gab Probleme mit der Treue, und sucht Unterschlupf bei seiner kürzlich verwitweten Tante. Er staunt nicht schlecht, als er nicht nur Tante und Neugeborenes, sondern auch noch die ehemalige Geliebte seines gerade verstorbenen Onkels im Haus vorfindet, die ihm auch nicht gänzlich unbekannt ist. Um die Farce komplett zu machen, beanspruchen auch noch beide Frauen die Mutterschaft für das Kind. Beide versuchen mit allen Mitteln Bambi auf ihre jeweilige Seite zu ziehen und ihn von ihrer Version der Geschichte zu überzeugen. Alle Mittel meint in diesem Fall wirklich alle Mittel😉.

Oyinkan Braithwaite ist mit ihrem Nachfolger zu Meine Schwester die Serienmörderin wieder ein fulminanter, lustiger und entlarvender Roman gelungen. Eiskalt hält sie patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und Geschlechterrollen den Spiegel vor und beschreibt ein hartes und ernüchterndes Sittenbild des modernen Nigerias. Wer aber jetzt mit dem Finger auf speziell dieses Land zeigt, macht es sich sicherlich zu einfach. Dieses Verhalten und diese gesellschaftlichen Strukturen sind leider weitestgehend universell gültig.

Bravo, ein großer Lesegenuss, der zum Nachdenken einlädt. Auch wenn er nach 128 Seiten leider schon vorbei ist...🥲😀

Bernhard Sinn

Oyinkan Braithwaite, Das Baby ist meins, blumenbar Verlag 2023, 128 Seiten

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