In Ellis geht es um eine junge Frau gleichen Namens, die, alternierend zwischen Gegenwart und Vergangenheit, in bisweilen kurzen. manchmal auch längeren Passagen oder Anekdoten auf ihre Kindheit und Jugend zurückblickt. In klarer und reduzierter aber sehr emotionaler, dichter Sprache schildert sie die Nöte ihrer Schulzeit. Als Tochter eines Italieners und einer Deutschen, ist sie im Grundschulalter mit ihrer Mutter aus Italien in eine namenlose deutsche Großstadt gezogen und erzählt von Mobbing, von der Suche nach Identität und Zugehörigkeit, der Suche nach Freundschaft.
Da ist vor allem Grace, die irgendwann in die Wohnung neben ihnen zieht und die gleiche Schulklasse besucht wie Ellis. Anfänglich noch beste Freundinnen und Verbündete, zeigen sich mit der Zeit und dem Älterwerden immer mehr Identitäts- und Loyalitätskonflikte, die dann schließlich zum jähen Abbruch der Beziehung führen.
Jahre später begegnen die beiden jungen Frauen sich zufällig wieder und versuchen, ihre Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Ellis nimmt Grace mit auf Verwandtschaftsbesuch nach Italien. Hier blickt sie erneut auf ihre derzeitige und frühere Beziehung zu Grace. Vor dem Hintergrund der Fremde, stellen sich für sie einige Lebensfragen aufs Neue und geraten Gewissheiten ins Wanken.
Selene Mariani ist mit Ellis ein wunderbares Buch über Identität und Freundschaft gelungen. In sehr eindrucksvollen Bildern, lässt sie uns am schwierigen Selbstfindungsprozess ihrer Protagonistin teilhaben - und räumt gleichzeitig auf charmante Weise mit ein paar liebgewonnen deutschen Klischees über Italien auf.
Bernhard Sinn