Erst dachte ich, es sei ein Buch über Depressionen, die ja auch „der schwarze Hund“ genannt werden. Aber hier geht es ganz konkret darum, länger als die geliebte alte Familienhündin, liebevoll „Hund“ genannt, am Leben zu bleiben.

Bis vor kurzem war Sebastian ein ganz normaler Student Anfang Zwanzig. Nur immer so müde. Jetzt ist er ein Krebspatient und das volle Programm startet. Sofort. Ohne, dass er sich an den Gedanken gewöhnen kann oder sich irgendwie darauf einstellen. Die Zeit drängt. Bei genauer Durchsicht in diversen Röhren wurden drei Tumore entdeckt, schon richtig groß. Die Chemotherapie wird in acht Einheiten zu je drei Tagen verabreicht. In den Pausen dazwischen heißt es Luft holen und die restlichen, schwindenden Kräfte zusammenkratzen.

Wie geht man mit einer solchen Diagnose um? Wenn man irgendwie noch gar nicht so richtig fertig war mit Erwachsenwerden und seinen Platz im Leben noch lange nicht gefunden hat? Wieder ins Kinderzimmer bei den Eltern einziehen muss, damit sie sich kümmern können. Am Anfang gibt es noch ein Leben abseits vom Krebs. Er verliebt sich, hängt mit seiner alten Sandkastenfreundin ab. Aber im Laufe der Chemo verliert sich das. Irgendwann geht es nur noch darum, irgendwie durchzuhalten. Den Hund überleben, den Krebs auch.

„Draußen bat ich sie um die Wasserflasche, die sie immer für mich dabei hatte, mir war nicht ganz wohl, ich musste mehr trinken, konnte aber nur noch kleine Schlucke. Ich fühlte mich, wie meine Eltern mich manchmal nannten: wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Meine Freude über den positiven Befund wurde so betäubt wie alles an mir. Sicher war sie da, die Erleichterung, vergraben unter meiner Erschöpfung. Ich würde mich später freuen, dachte ich, wenn irgendwann alles vorbei war.“

Ein eindrucksvoller Roman, der die Innensicht beschreibt: ein junger Mann, der mit einer lebensbedrohlichen Krankheit zurechtkommen muss, tapfer die Behandlung erduldet, letztlich daran wächst und erwachsen wird.

Bärbel Hanauske

Stefan Hornbach, Den Hund überleben, Hanser 2021, 288 Seiten

Weitere Blogbeiträge

13/12/2021

Zeruya Shalev, Schicksal

Ein berührender Roman, der uns Israel damals und heute näher bringt...
24/02/2024

Yishai Sarid, Schwachstellen

Ich bin mir bei diesem Buch nicht sicher, wo ich es einordnen soll. Handelt es sich um eine Dystopie? Sicherlich im Hinblick auf die vorherrschende düstere und pessimistische Gesamtstimmung des Romans und der abgebildeten Gesellschaft. Andererseits sind viele der beschriebenen geheimdienstlichen Technologien und Möglichkeiten längst technisch umsetzbar oder gängige Praxis. Nicht umsonst spielt der Roman größtenteils in Israel. Wer also hier an die israelische Spähsoftware Pegasus denkt, ist sicherlich auf der richtigen Fährte...
11/02/2023

Virginie Despentes, Liebes Arschloch

Virginie Despentes ist zurück. Und wie! Mit Liebes Arschloch schließt sie nahtlos da an, wo sie mit der großartigen Vernon Subutex Trilogie aufgehört hat. Schon allein der Titel sagt alles. Es wird geschimpft, geflucht, gehasst...